Wer kennt nicht den Passo del Bracco? Wie, Ihr kennt ihn nicht? Gut, er ist nicht sehr hoch, nur 615m ü. M. Aber ist das ausschlaggebend?Sicher kennt Ihr das Stilfser Joch, das Penser Joch, den Jaufen Pass oder den Staller Sattel. Einige waren auch schon mal in den französischen Alpen und haben Col de la Bonette oder Col Cayolle erfahren. Wenn wir über Passo Manghen oder Brocon reden, wird’s schon geheimnisvoller, aber wir sind noch immer in den Alpen und bewegen uns auf Minimum 1800m ü. M.
Nun frage ich nach dem Passo del Bracco mit lediglich 615m Passhöhe. Wo soll der liegen, wenn in den Alpen die Täler bereits auf 6-800m befinden? Nun eben nicht in den Alpen, sondern im Ligurischen Hinterland und die Passhöhe von 615m gehen von 0 ab. Man kann von der Passhöhe sogar die Küste und den malerischen Ort Moneglia sehen.
Unspektakulär? Keineswegs! Es ist einer der schönsten Pässe, die ich kenne. Nun erhebe ich nicht den Anspruch auf Kenntnis aller schönen Straßen dieser Welt, wer will das schon. Aber einige der bekanntesten Strecken habe ich bereits erfahren und ich habe einigen Anspruch an eine schöne Mopped-Strecke:
Kurven, kein Verkehr, Kurven, keine Polizeikontrollen, Kurven, guten Straßenbelag, Kurven, gutes Wetter, Kurven, etc.
Alles das habe ich am Passo del Bracco gefunden, und am Passo del Ghiffi und del Bratello, Cento Croci, usw.
Aber, es sind nicht die Pässe, sondern die Straßen insgesamt im Hinterland von Cinque Terre, Portofino und anderen Touristenorten an der Riviera Levante. Es handelt sich dabei um den Apennin, der sich von den Seealpen an der ligurischen Küste entlang durch die Toskana schließlich in die nach ihm benannte italienische Halbinsel erstreckt.
Letztes Jahr noch im Badeurlaub mit dem Auto in Sestri Levante habe ich mir auch das Hinterland angesehen und beschlossen, dass dies die ideale Motorradgegend ist. Hat man die Küste erst mal für 10km hinter sich gelassen, hört plötzlich jeglicher Verkehr auf. Es ist fast ausgestorben. Orte aus dem Mittelalter scheinen quasi unverändert und sind damit entsprechend malerisch. Bereits nach wenigen Kilometern erreicht man die Emilia Romagna oder etwas weiter die Toskana. Egal, herrscht doch an den für uns interessanten Randbedingungen keinen Unterschied.
Es ist die kurvenreichste Gegend, die mir je untergekommen ist. Ist man es als Motorradfahrer gewohnt, erst mal langweilige Anfahrten in Kauf zu nehmen, um dann eine kurvige Strecke von wenigen Kilometern zu fahren, befindet man sich in dieser Gegend im ständigen Kurvenrausch. Eine Tagestour von lediglich 200km sind die Regel, und da war man nicht stundenlang Essen. Gut selbstverständlich sollte man sich Orte wie Sestri Levante, Brugnato oder Pontremoli nicht entgehen lassen und nach einem kleinen Besichtigungsspaziergang einen Cappuccino am Marktplatz zu sich nehmen. Bitte nicht überrascht sein, wenn man für 2 Cappuccini, Wasser und 2 Gepäckteilchen 4€ zahlt. Er hat sich nicht verrechnet, das sind die Preise.
Ganz so billig ist es an der Küste nicht. So sind die bekannten Orte ja nicht weit und wenn auch in Deutschland relativ unbekannt, in Italien kennt man die Levante sehr gut. Allerdings sind in der Nebensaison durchaus günstige Hotelzimmer zu finden und für 7€ eine Pizza oder 10€ ein Liter Vino della Casa zu haben.
Unser Hotel Suite Nettuno in Sestri Levante kann ich uneingeschränkt weiterempfehlen. Für Ruhesuchende ist es allerdings nichts, da mitten im Ort gelegen. Wer weniger Trubel haben will und bereit ist, auf jegliches Abendleben zu verzichten sucht sich besser gleich im Hinterland eine Unterkunft. Und er kann dann auch noch einiges sparen.
Wir jedenfalls werden wieder kommen. Und wahrscheinlich wieder so wie dieses Mal, die beiden Moppeds auf den Hänger und in gut 10Std durch die Schweiz extrem stressfrei angereist. Obwohl die Schweiz eine extra Vignette für den Hänger verlangt, spricht die Kostenbilanz eindeutig für den Transport auf dem Anhänger, selbst wenn der nur geliehen ist. Schon der Reifenverschleiß von 2x 1600km und die eckige Kontur nach den Autobahnstrecken schrecken ab.
Nicht zu vergessen noch ein wichtiger Aspekt: Man ist willkommen. Besonders natürlich, wenn man eine Guzzi oder ein anderes italienisches Motorrad fährt. Aber auch so sind Motorradfahrer in Italien deutlich mehr akzeptiert und respektiert als in manch anderen Ländern. Mein Exemplar, die Norge 1200 mit Zard-Auspuff, spricht eine deutliche Aussprache und ist in den zahlreichen Tunnels auch gut zu hören. Nie hatte ich den Eindruck, als würde das jemanden stören. Auch wenn ich mir manchmal eher eine Supermoto oder auf den kleinen Nebenstraßen gar eine Enduro gewünscht hätte, empfand ich die Norge als ideales Motorrad für die Gegend.
Der manchmal schlechte Zustand der kleinsten Straßen ist einer der wenigen negativen Aspekte den ich erwähnen muss, aber deshalb bleibt man besser auf den gelben oder roten Straßen.
Die SS1 Via Aurelia von La Spezia nach Sestri Levante ist ein Beispiel dafür. Sie führt über den Passo del Bracco und damit bin ich wieder am Anfang. Schaut euch mal auf Google Maps die Gegend hinter den Cinque Terre an und zoomt auf die Straßen. Kurven, Kurven und kein Ende.